Orpheus. Hymne an die Natur

Quelle: Orpheus: Altgriechische Mysterien, übersetzt und herausgegeben von J. O. PLASSMANN, Diederichs Verlag, Köln 1982

 

(Ein Rauchopfer von Gewürzen)

 

"Natur,

du allerzeugende Göttin, Mutter, reich an Erfindung, Ehrwürdige, Himmlische, Göttin der Völker, Herrin, Allmächtige, Unbezwungene, Allen sichtbare Lenkerin! Allbeherrschende, ewig geehrte, Aller Dämonen oberstes Haupt, Unvergängliche, Ersterzeugende, Uralt berühmte Freundin der Männer, Heimlich wirkende, Weisheitsvolle, Trägerin des Lichts, schwierig zu bannen - In Wirbelkreisen, auf leichten Sohlen ziehst du deine geräuschlose Spur... unsichtbares Leben, der Zukunft Unvergängliche Schicksalsschau - Alles bist du! Du allein Bist ja aller bewegender Ursprung. Göttin, ich flehe zu Dir In den heiligen Stunden Mit der gesegneten Schar: Allen gib Frieden, Gesundheit und Wachstum!"

 

Christian Rätsch sagt dazu: 

"Die Seele ist die Struktur der Materie. Materie alleine wäre amorph und chaotisch. Aber der Geist ist eine Eigenschaft der Materie, ist die durch sie bedingte Struktur. Der Geist braucht die Materie, um sich auszudrücken. Der psychoaktive Wirkstoff einer Schamanenpflanze kann nur wirken, wenn das Molekül an einen Rezeptor in unserem Gehirn andocken kann. Unser Nervensystem gehört zur Natur. Mit ihm empfangen wir auf natürliche Weise die Botschaften der Natur. Für Schamanen ist die Wirkung einer Schamanenpflanze schon an sich eine echte Naturerfahrung. Denn die Pflanzen gehören zur Natur. Auch der Mensch gehört zur Natur... - Was aber ist Natur? Unser Wort »Natur« ist ein Fremdwort, aus dem Lateinischen entlehnt, von natura. Dieses antike Wort war der römische Name einer Göttin, einer allesgebärenden, großen Göttin. Die Natura war göttlich und heilig. Auf Griechisch hieß sie Physis. Die Natur war etwas ganz und gar Spirituelles. Ein antiker Text aus der Sammlung der Hymnen zu den orphischen Mysterien definiert diese Göttin Physis. Die orphischen Mysterien waren ein ekstatischer Kult der Antike, der hauptsächlich dem Gott Dionysos huldigte, der aber alle anderen Götter und Göttinnen mit einbezog... Die schamanische Sichtweise, die zum Arrangement notwendig ist, basiert nicht auf einem platten Dualismus, sondern auf der Erkenntnis, dass alles im Universum Platz hat und notwendig ist. Es gibt kein Gut und Böse, keine Abspaltung des Seins. Es gibt nur Wesen oder Erscheinungen, die bestimmte Eigenschaften haben. Wenn man einer Giftschlange begegnet, geht man mit einem Abstand um das Tier herum. So beißt sie nicht und ist für den Menschen nicht gefährlich. Nur weil man die Eigenschaften der Schlange kennt, kann man sich vor ihr schützen. Die Kenntnis der Natur ermöglicht dem Menschen, in ihr und mit ihr zu leben und sich in ihr geborgen zu fühlen; mit ihr gewinnbringend und nützlich umzugehen. ... Die Natur ist die Gestalt der Materie und des Geistes. Sie ist ein sich ständig wandelnder Prozess des Seins. Oder eben die allerzeugende Große Göttin der antiken Mythologie. Im Übrigen ist es der Natur egal, wie wir sie erkennen und benennen. Denn sie ist nur durch sich selbst existent."

Quelle: Christian Rätsch „ Meine Begegnungen mit Schamanenpflanzen“, AT Verlag

Von Dr. Christian Rätsch habe ich so viel gelernt...ich danke ihm dafür. R.I.P.

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